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Eine Schiffsfahrt durch Westberlin - ohne Schiff - aus eigenem Erleben ...

In der heutigen Zeit ist eine Fahrt mit einem Motorgüterschiff zwischen Henningsdorf und Berlin-Stralau eine ganz normale Sache. Aber bis zur Wende 1989 war das nicht so einfach.

Dazu muß man erklären, das es in der ehemaligen DDR Schiffsführer gab, die mit Ihren Schiffen im Westen Deutschlands und Westberlin unterwegs waren, weil Sie über ein gültiges Visum verfügten. Diese Schiffe trugen auch zu DDR - Zeiten eine Euro - Nummer wie es bei den heutigen ENI - Nr. üblich ist. Aber die meisten Schiffer hatten diese Möglichkeit nicht. Und damit fangen die Schwierigkeiten schon an.

Wenn die Oder Niedrigwasser führte, gab es nur einen Weg um vom Havelkanal in den Oder / Spree Kanal zu gelangen man muste durch Westberlin fahren. Unter anderem, wenn man wie wir, mit Eisenerz aus Anklam kommend nach Eisenhüttenstadt wollten. In Henningsdorf vor der Stadtbrücke war Schluß. Dort begann das Grenzgebiet um Westberlin, denn auch auf dem Wasserweg gab es eine "Mauer". Diese bestand zwar nicht aus Beton, wohl aber aus gut gesicherten Schleusentoren die zwischen den Uferseiten an der Kanalgabelung errichtet wurden. In Fahrtrichtung Ost gesehen ging es linker Hand nach Westberlin durch die Grenzübergangsstelle (GüSt) und rechter Hand in Richtung Potsdam. Dieses Abzweig konnten alle befahren, jedoch mit ständiger Grenzboot- und Wasserschutzbootbegleitung. Da wir über Westberlin mussten, endete unsere Fahrt vor der Stadtbrücke - an einem Schiffsliegeplatz - an dem bereits ca. 5 Schiffe vor uns lagen. - Na, prima - das bedeutete mindestens 3 Tage warten. Täglich wurden, je nach Personalvorrat, 1 bis 2 Schiffe pro Richtung durch Westberlin gefahren. Die Prozedur war keine Seltenheit, sondern tägliche Realität.

Nach dem wir also mehrere Tage gewartet hatten, begann der Tag mit dem "Aufpacken" der Ablösemannschaft gegen 6 Uhr morgens. Diese bestand aus Schiffern die wie bereits berichtet, über den sogenannten "West-Stempel" verfügten. Also hauptamtlich für die Binnenreederei im Bereich Westberlin mit Schubern und Motorschiffen im Ex- & Importgeschäft tätig waren. Wir selbst inklusive Kinder und Haustieren nahmen unsere sieben Sachen und begaben uns von Bord um dem Ablegemanöver beizuwohnen. Sehnsuchtsvoll sahen wir unserem Schiff hinterher, wie es in den Grenzbereich einfuhr... Von der Straßenbrücke aus war dies gut zu erkennen, da es damals die (nun wieder exestierende) S-Bahn-Brücke nicht gab.

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Grenzanlage für Schiffe in Henningsdorf Übersichtskarte der GÜST und  Lage der Staatsgrenze ein Kanalschuber durchfährt die Grenzkontrollanlage
Lage & Ansichten der Grenzübergangsstelle (GüSt) in Hennigsdorf
Blick in die GÜST-Hennigsdorf Blick in die GÜST-Hennigsdorf der Abzweig Richtung Osten / Rechts aus Richtunf West kommend

 

 

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Anschließend begaben wir uns zum Linienbus, welcher uns nach Hohen - Neuendorf brachte. Dort angekommen - betraten gingen wir zur S-Bahn Station und warteten auf eine S-Bahn - die aus Oranienburg kommend - in Richtung "Hauptstadt der DDR" - natürlich obenrum !! fuhr. Wer diese Strecke schon einmal gefahren ist weiß wie langweilig und zehrend dieser Streckenabschnitt sein kann.

Über Blankenburg / Ostkreuz umsteigend erreichten wir gegen 10 Uhr morgens den Alexanderplatz. Dort wollten wir zwar nicht hin, aber es war eben der zentrale Anlaufpunkt - wenn man schon mal in Berlin ist. Außerdem waren dort die Gaststätten schon ab 8 Uhr geöffnet und wir mussten ja noch frühstücken. Für uns Kinder war das natürlich ein toller Tagesausflug, aber meine Eltern haben dies bestimmt nicht so empfunden.

Meisten trafen wir dort Mannschaftsmitglieder anderer Schiffe die in der Gegenrichtung unterwegs waren. Deren Schiff wurden zeitgleich in Gegenrichtung nach Henningsdorf durch Westberlin gefahren.

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Der Alexanderplatz in Berlin die Weltzeituhr am Alex der Alex vom Fernsehturm aus gesehen

 

 

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Nach einem Stadtbummel und natürlich einem Besuch des Kaufhauses - das musste sein - stiegen wir wieder in einen Bus der nach Berlin - Stralau fuhr. Dort stand ja auch der "Blaue Block", so nannte mein Vater den Hauptgeschäftssitz der Binnenreederei, wohl weil er mit seinen bläulich schimmernden Glasscheiben - schon von weitem sichtbar auf der Stralauer Spitze stand.

Dort plauschte er mit Kollegen und erledigte noch "geschäftliches". Wir begaben uns anschließend zur Koppelstelle in Stralau und erwarteten dort geduldig die Ankunft unsres Schiffes. Dies konnte sich bis in die späten Abendstunden hinziehen, je nachdem wie intensiv die Grenzer unser Schiff kontrollierten. Es konnte auch schon mal vorkommen das ein Schiff überhaupt nicht ankam. Das war immer dann der Fall wenn es irgendwo an der Grenze Zwischenfälle gegeben hatte. Dann wurde die Abfertigung komplett eingestellt. Aber auch daran war natürlich gedacht. Es gab in Berlin und auch in Henningsdorf auf der Schifffahrtsstelle Zimmer mit Betten und Nachttisch.

Nachdem unser Schiff in Sicht kam war die Freude natürlich groß. Früher, also bis Ende der 70´er Jahre konnte man sein Schiff am Marx-Engels-Platz wiederbekommen, aber nachdem mal einer im Osthafen (der war ja bekanntlich in einen Ost- & in denWestteil geteilt) vom Schiff über den Zaun in die Westseite gesprungen ist, erfolgte der Austausch erst in Stralau.

(Anmerkung des Redakteurs: - die Schiffe mußten am Getreidespeicher im Osthafen, gedreht werden, da der dort vorhandene Ladekran nur über einen kurzen Ausleger verfügte - dabei nutzte der Kollege die Gelegenheit)

Doch der Tag war ja noch nicht zu Ende. Die Grenzkontrollbehörden hatten ganze Arbeit geleistet. Jeden noch so kleinen Verschlag hatten sie aufgemachen lassen und man benötigte doch einige Zeit um sich wieder wohnlich einzurichten. Die Spuren der Grenzhunde fanden sich auf dem gesamten Decks & Lukenbereich da auch die Laderäume mit dem Eisenerz kontrolliert wurden. Besonders schön zu sehen auf grau gestrichenen Strengern.

Am nächsten Tag setzten wir unsere Fahrt nach Eisenhüttenstadt fort. Dort angekommen wurde unsere Ladung ausgeladen und die nächste Fracht waren Kalksteine für Demmin an der Peene. Meine Eltern waren ganz "begeistert" von diesem Frachtauftrag, schießlich bedeutete das doch wieder retoure - über Westberlin - in Richtung Hohensaaten.

Wir Kinder fanden es auch toll - wir freuten uns schon riesig auf den Einkaufsbummel und die S-Bahnfahrten in Ostberlin.

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© Uwe Giesler / Berlin

 

 

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